Kirsch / Hein / Ditzner – Nervous

fixcel records
Veröffentlichung: 5. Juni 2019
Aufgenommen am 11. Oktober 2017, Kleine Audiowelt, Sandhausen
Recording + Master: Tobias Schirrmann
Linernotes: Martin Laurentius
Fotografie & Layout: Frank Schindelbeck

Info Kirsch / Hein / Ditzner

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-> Die zweite CD des Trios: Kirsch / Hein / Ditzner – Live @ Hack

Zwischen Welten

Ich mache Ihnen einen ungewöhnlichen Vorschlag: Hören Sie sich das letzte Stück dieses Albums zuerst an. Warum, werden Sie nun fragen: Nehme ich nicht die Auflösung vorweg, wenn ich mit dem letzten Stück in das Album dieses Trios mit dem Posaunisten Stephan Kirsch, dem Gitarristen Nicola Hein und dem Schlagzeuger Erwin Ditzner einsteige? Ich kann Sie beruhigen: Dem ist nicht so. Weil ich Ihnen nämlich mit diesem letzten Track, der ursprünglich „Soundcheck“ heißen sollte, nun aber mit „Repeating“ überschrieben ist, demonstrieren will, dass der Impuls, um in ein Stück frei improvisierte Musik einzusteigen, nicht stark sein muss; mehr noch: eher ein Zufallsprodukt ist.

Gegen Ende der Studiosession mit diesen drei Improvisationsmusikern ist dem Gitarristen Hein eine Saite gerissen. Das kann doch passieren, können Sie jetzt sagen, das ist doch nicht ungewöhnlich. Zuallererst unterbricht dieses „Malheur“ aber den Spielfluss der drei: Eine neue Saite muss aufgezogen werden, die Gitarre muss gestimmt werden, währenddessen die beiden anderen Instrumentalisten still sind. Doch nun wird es interessant: Diese Unterbrechung und das Stimmen werden zum Impuls für ein gut 15 Minuten langes Stück mit freier, musikalischer Improvisation.

All das ist also der Ausgangspunkt für einen weiten Bogen, in dem Kirsch, Hein und Ditzner tief im Flow intuitiv aus dem Stegreif eine „Wall of Sound“ errichten. Repetitive Patterns werden rhythmisch und thematisch beinahe unmerklich variiert und verändert. Kirsch, Hein und Ditzner schichten diese wie Stein auf Stein und laden sie mit Energie auf – um am Schluss vor einer massiven und lautstarken Wand zu stehen, die ausschließlich durch die verschiedenen Klangereignisse der drei Instrumentalisten zuvor Struktur und Form bekommen hat. Und jetzt können Sie sich auch vorstellen, dass beide Namen für dieses Stück ihre Berechtigung haben: „Soundcheck“ verweist auf die Keimzelle für den improvisatorischen Prozesses, während „Repeating“ den binnenmusikalischen Weg mit einem Wort beschreibt.

Im Grunde hat dieses Trio keinen Bandleader. Doch dass man sich zur Session im Studio getroffen hat, geht auf die Initiative von Stephan Kirsch zurück. Vor einer Weile lernte der Mittvierziger den gut zehn Jahre älteren Schlagzeuger Erwin Ditzner aus Ludwigshafen kennen, später traf er in Mainz den rund zehn Jahre jüngeren Gitarristen Nicola Hein. Und aus Kirschs Wunsch, mit diesen beiden Musikern zusammenarbeiten zu wollen, wurde bald Wirklichkeit: Man traf sich für einen Tag im Studio zur Aufnahmesession für das nun vorliegende Album „Nervous“.

Die Konstellation für dieses Trio ist leicht erklärt. Auf der einen Seite ist Ditzner, der sich ursprünglich als Bandmitglied der Mannheimer Mardi Gras BB tief in die Historie der (afro)amerikanischen Musik gewühlt hat, nun aber als Schlagzeuger instinktsicher nicht nur an der Schnittstelle von, sondern exakt zwischen konkretem Beat und flirrendem Pulsieren agiert. Auf der anderen Seite ist der tatsächlich eine Generation jüngere Hein, der seine elektrische Gitarre nicht mehr nur als Musikinstrument begreift. Vielmehr ist sie für ihn ein Meißel, mit dem er im akustischen Atelier seine Klangskulpturen hämmert. Mittendrin steht Kirsch, der mit der Posaune Katalysator und Treibriemen für die beiden Extremen ist, um das freie Spiel der kreativen Kräfte dieses Trios zu lenken und zu begrenzen. Denn für alle drei gilt gleichermaßen, dass „echte“ Freiheit in der Musik Grenzen und Lenkung als Reibeflächen braucht, um bei den Akteuren das Feuer der Imagination zu entfachen.

Sicherlich, freie Improvisationsmusik lässt sich für Sie am ehesten und am besten als Liveerlebnis erfahren. Vor Ort können Sie unmittelbar verfolgen, wie Inspiration zum Anstoß werden kann für einen langen improvisatorischen Prozess, und können hören, wie improvisierte Musik tatsächlich exakt im Augenblick entsteht. Wie anders stellt es sich bei „recorded music“ dar. Die Studiosession der Musiker wird auch für Sie zur Erinnerung an diesen kreativen Moment. Die Aufnahme ist sozusagen „eingefrorene“ Zeit, die Sie in dem Moment auftauen, wenn Sie das Album „Nervous“ dieses Trios hören. Erst dann bekommen Sie mit, dass die zwei kurzen und drei langen Stücke eng als Suite miteinander verknüpft sind und dadurch die Improvisationsmusik des Posaunisten Stephan Kirsch, des Gitarristen Nicola Hein und des Drummers Erwin Ditzner überhaupt erst Form und Struktur bekommt – aller Freiheit zum Trotz.

Sicherlich, freie Improvisationsmusik lässt sich für Sie am ehesten und am besten als Liveerlebnis erfahren. Vor Ort können Sie unmittelbar verfolgen, wie Inspiration zum Anstoß werden kann für einen langen improvisatorischen Prozess, und können hören, wie improvisierte Musik tatsächlich exakt im Augenblick entsteht. Wie anders stellt es sich bei „recorded music“ dar. Die Studiosession der Musiker wird auch für Sie zur Erinnerung an diesen kreativen Moment. Die Aufnahme ist sozusagen „eingefrorene“ Zeit, die Sie in dem Moment auftauen, wenn Sie das Album „Nervous“ dieses Trios hören. Erst dann bekommen Sie mit, dass die zwei kurzen und drei langen Stücke eng als Suite miteinander verknüpft sind und dadurch die Improvisationsmusik des Posaunisten Stephan Kirsch, des Gitarristen Nicola Hein und des Drummers Erwin Ditzner überhaupt erst Form und Struktur bekommt – aller Freiheit zum Trotz.

kurzen und drei langen Stücke eng als Suite miteinander verknüpft sind und dadurch die Improvisationsmusik des Posaunisten Stephan Kirsch, des Gitarristen Nicola Hein und des Drummers Erwin Ditzner überhaupt erst Form und Struktur bekommt – aller Freiheit zum Trotz.

Martin Laurentius

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